Interview mit Jürgen Czernohorszky
Wir haben mit unserem neuen Stadtrat für Klima, Umwelt, Demokratie und Personal Jürgen Czernohorszky gesprochen und ihn zu seinen Zielen und Visionen eines klimaneutralen Wiens, der Rolle von Wiener Betrieben sowie kommender Projekte befragt.
Herr Czernohorszky, Sie haben mit 24. November 2020 das Ressort „Umwelt“ übernommen. Was sind Ihre zentralen Anliegen und Ziele für die kommenden Jahre?
Jürgen Czernohorszky: Wir haben uns ambitionierte und mutige Ziele gesetzt: Bis 2040 wird Wien CO2-neutral sein. Zentral dafür sind die Energiewende und der massive Ausbau erneuerbarer Energien. Deshalb starten wir die größte Solar-Offensive in der Geschichte an. Unser Ziel ist, dass wir bis zum Ende dieser Regierungsperiode jedes Jahr so viele Photovoltaik-Anlagen errichten, wie in den letzten 15 Jahren zusammen.
Bis 2025 soll die Gesamtleistung der Photovoltaik-Anlagen in Wien verfünffacht werden, im Jahr 2030 insgesamt 16mal so hoch sein wie heute. Dafür braucht es Photovoltaik-Flächen von 90-100 Fußballfeldern pro Jahr. Eine neue Servicestelle, die Vereinfachung von Genehmigungsverfahren für PV-Anlagen und die Verdreifachung der Förderungen. Die Stadt Wien wird dabei als engagiertes Vorbild vorangehen und, wo immer es möglich ist, PV-Anlagen auf öffentlichen und stadtnahen Gebäuden und Flächen errichten.
Darüber hinaus wollen wir alle Vorhaben, seien es Gesetze oder neue Bauvorhaben, die Auswirkungen auf das Klima haben, einem Klima-Check unterziehen. Wenn beim Check des Gesetzes oder eines Bauvorhabens zum Beispiel herauskommt, dass sie nicht unseren Zielen der Senkung der Treibhausgase entsprechen, dann werden Änderungen vorgenommen, um das Projekt klimafit zu machen.
Welche Projekte sind für 2021 geplant?
Neben dem Start der großen Photovoltaik-Offensive wollen wir ganz stark auf den Bereich Grünraum setzen: Das bedeutet, dass wir unsere Parks, Wälder, Wiesen und Gewässer erhalten und ausbauen, um sie allen Menschen als Erholungs- und Lebensraum zugänglich zu machen. Auch jenen, die keinen eigenen großen Garten haben. Allein in den nächsten fünf Jahren schaffen wir fix rund 400.000 m2 neues Grün durch neue Parkflächen. Für die Hälfte davon wird schon heuer 2021 der Grundstein mit 23 Projekten gelegt.
Weiters wollen wir uns der Nachhaltigkeit widmen: Unser Motto dabei lautet: Jede und Jeder kann einen Beitrag zu einem nachhaltigen Umgang mit dem Klima, den Menschen und den Tieren leisten – auf allen Ebenen. Ein Thema dabei ist unter anderem eine nachhaltige und gesunde Ernährung. Aber auch die längere Verwendung von Produkten und Abfallvermeidung tragen aktiv zum Klimaschutz bei: Deshalb bauen wir unser erfolgreiches Reparaturnetzwerk aus und haben den Reparaturbon verlängert und aufgestockt. Auch wollen wir den Weg von der Wegwerfgesellschaft zur Kreislaufwirtschaft gehen: Wien setzt auf „Zero Waste“ bis 2050 und verwertet damit 100 Prozent der nicht vermeidbaren Abfälle. Das Ziel Zero-Waste wird auch schon bis 2025 intensiv verfolgt.
Welche Rolle spielen darin Wiener Betriebe?
Wiener Betriebe haben hier eine sehr wichtige Vorbildfunktion. Umso mehr freut mich, dass über 1.300 Wiener Betriebe am Programm von OekoBusiness Wien teilnehmen. Sieht man sich die beeindruckenden Zahlen des Programms an, erkennt man ganz deutlich, dass gerade im Bereich der Nachhaltigkeit bereits sehr viel erreicht wurde. So konnten beispielsweise in den letzten 22 Jahren 692.000 Tonnen an CO2 und 127.370 Tonnen Abfall eingespart werden. Ein großes Danke an alle, die daran mitgewirkt haben!
Sie kommen aus dem Bildungsressort. Wie wird Ihre bisherige Expertise den neuen Bereich Umwelt und Klima beeinflussen?
Es freut es mich ganz besonders, dass vieles mit den neuen Aufgaben zusammenhängt: In meiner bisherigen Funktion als Bildungs-und Jugendstadtrat habe ich das große Kinder- und Jugend-Beteiligungsprojekt „Werkstadt junges Wien“ ins Leben gerufen, aus dem im letzten Jahr die „Kinder- und Jugendstrategie“ entstanden ist. Top-Thema dabei war immer der Bereich Natur, Klima und Umwelt: Und so habe ich als Klimastadtrat viele Aufträge von 22.500 Kinder und Jugendlichen auf dem Tisch, die jetzt nach und nach umgesetzt werden. Um nur zwei Beispiele zu nennen: Wir werden die Wasserspielmöglichkeiten verdoppeln und die Beteiligung von Kinder und Jugendlichen bei der Gestaltung von Parks und Spielplätzen verstärken.
Wien ist eine der lebenswertesten Städte weltweit. Wir sind in vielerlei Hinsicht Vorbild – etwa auch mit OekoBusiness Wien, viele Städte haben unser Konzept kopiert. Wie sorgen Sie dafür, dass wir auch in Zukunft vorangehen und Pionierarbeit im Bereich Klima und Umwelt leisten?
Wiens hohe Lebensqualität hängt ganz wesentlich mit dem zusammen, was wir für Klima und Umwelt tun. Hier haben wir wirklich große Meilensteine gesetzt – vom Ausbau des Grünraum-Angebots, über die Müllvermeidung, die gesteigerte Energieeffizienz und den Umstieg auf erneuerbare Energieträger bis hin zum Erfolgsprogramm von OekoBusiness Wien. Gerade letztes ist mir ganz besonders wichtig, weil es zeigt, dass Umweltschutz und erfolgreiches Wirtschaften einander nicht ausschließen und ökologisches Wirtschaften für Umwelt und Unternehmen ein Gewinn ist. Insgesamt hat Klimaschutz für mich auch soziale Aspekte, weil es zum Beispiel darum geht, gute Lebensqualität für alle sicherzustellen – und dazu zählen auch nachhaltig Arbeitsplätze bei verantwortungsvollen Betrieben. Deshalb will ich diese guten Kooperationen weiterführen und vertiefen.
Ihnen sind ein ökologischer Fußabdruck und Tierschutzkriterien bei Lebensmitteln sehr wichtig. Mit dem Angebot ‚Natürlich gut essen‘ von OekoBusiness Wien wird auf Nachhaltigkeit, Umweltschutz aber auch auf das Tierwohl geachtet. Welche Rolle sehen Sie hier bei der Stadt als Großeinkäufer?
Tatsache ist, dass Lebensmittelproduktion, Lebensmitteltransport und Lebensmittellagerung ein Viertel bis ein Drittel aller Treibhausgas-Emissionen verursachen. Eine nachhaltige und gesunde Ernährung ist ein wichtiger Hebel für den Klimaschutz. Gerade hier setzen wir in Wien wichtige Initiativen: Mit niederschwelligen Angeboten der Umweltberatung, mit Einkaufsführern für Fleischprodukte, unserem städtischen Einkaufsprogramm „ÖkoKauf“ und dem Angebot ‚Natürlich gut essen‘ von OekoBusiness Wien.